Bericht WM 2024 Punta Ala
Bericht von der Weltmeisterschaft 2024 in Punta Ala
Die toskanische Küste ist ein überaus freundlicher Landstrich. Sanft geschwungene Bergketten, leuchtend grüne Pinienwälder, hellblaues Meerwasser und Strände mit feinem beigen Sand sorgten schon rein farblich für tolles Ambiente. In den beiden Wochen vor der WM der A-Cats herrschte in Punta Ala, direkt gegenüber von Elba gelegen, ein traumhaftes Sommerwetter. Strahlender Sonnenschein, heiße Tagestemperaturen, warmes Wasser und vor allem eine ziemlich regelmäßig einsetzende thermische Seabreeze zwischen 5 und 15 Knoten sorgten für alles, was Segler glücklich macht. Immer mehr Trainingsgruppen fanden sich in den Tagen vor der WM ein und testeten ihr Material. Nur selten kann man auf einem Revier so ausgiebig über weite Strecken angleichen, um die richtige Trimmeinstellung zu finden. Großartige Bedingungen zum Segeln, das konstatierten selbst verwöhnte Segler beispielsweise aus Florida oder Neuseeland.
Dies sowie alle weiteren Zeichen im Vorfeld ließen erwarten, dass es eine großartige Meisterschaft wird: Eine Rekordbeteiligung von fast 180 Booten aus 24 Ländern aus ganz Europa, Nordamerika, Südamerika und Ozeanien, nahezu hälftig aufgeteilt in Foiler und Classics. Zwei Bahnen, sodass die Felder nicht nacheinander starten und lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Souveräne Wettfahrtleitungen und Jury-Mitglieder. Weitläufiger Strand mit genug Platz zum Ablegen und Anlanden. Frischwasser zum Boote abspülen am Strand. Unterkünfte und Stellplätze auf dem großen Punta Ala Resort in Fußweite zum Boot. Und vor allem: Vibrierende Vorfreude aller Beteiligten, nach einer langen Pandemie-bedingten Durststrecke endlich wieder eine WM ohne jegliche Einschränkungen austragen zu können.
Doch das Mittelmeer hatte andere Pläne und zeigte pünktlich zum Practice Race seine Krallen. In Mitteleuropa hatte sich ein Tief festgesetzt, das im nördlichen Mittelmeer zu einer Mistral-Lage führte, mit kräftigen Winden, aber leider auch zahlreichen großen und kleinen Regen- sowie Gewitterfronten. Gleich in zwei Nächten regnete es so extrem, wie es nicht einmal in den Tropen vorkommt. Insgesamt zwei Wettfahrttage fielen drohenden Gewitterfronten zum Opfer. An zwei anderen Wettfahrttagen herrschte grenzwertiger Starkwind mit einer überaus fiesen steilen Welle, an einem Tag regte sich nur ein recht laues Lüftchen. Lediglich an einem Renntag wehte die „eigentlich“ reguläre Seebreeze mit Wind zwischen 10 und 15 Knoten, sprich es herrschten jene Champagne Sailing-Bedingungen, auf die alle gehofft hatten. Somit konnten insgesamt nur sieben von zwölf geplanten Wettfahrten ins Ziel gebracht werden.
Immerhin ein Gutes hatten die extrem variablen Bedingungen zwischen 5 und 25 Knoten: Hier waren Allround-Kenntnisse von den Seglern gefragt, und wer hier in Punta Ala vorne mitsegeln wollte, musste das ganze Programm draufhaben, das einem ein so diffiziles Boot wie der A-Cat abverlangt. Die Starkwindkönige mussten dabei ebenso Federn lassen wie die Leichtwindfüchse. Es gibt jedoch Segler, die unter allen Bedingungen schnell sind, die weder an flauen Winden verzweifeln noch an den brutalen Böen, wie sie insbesondere am letzten Renntag die Boote an der Kreuz beinahe umwehten, ohne dass man ihnen noch groß etwas entgegensetzen konnte. Und so gab es in beiden Feldern äußerst verdiente Sieger.
Kuba wird erneut Weltmeister
Bei den Foilern kämpfte eine illustre Fünfergruppe um den Weltmeistertitel: Ex-Weltmeister Stevie Brewin aus Australien, Ex-Weltmeister Ravi Parent aus den USA, Ex-Weltmeister Mischa Heemskerk aus den Niederlanden, Tornado-Olympia-Silbermedaillen-Gewinner Darren Bundock aus Australien sowie der erst 31-jährige amtierende Weltmeister Jakub “Kuba“ Surowic aus Polen. Kuba zeigte mit ausgezeichnetem Bootshandling und souveräner Taktik, wie man einen Foiler unter allen Bedingungen rasend schnell über den Parcours jagt. Er ist von seinem Heimatrevier Sopot an der polnischen Ostseeküste jene Verhältnisse gewohnt, wie sie nun auch in Punta Ala herrschten. Der erneute Titelgewinn ist absolut verdient, Kuba ist derzeit kaum zu schlagen. Selbst Serien-Weltmeister Glenn Ashby dürfte, wenn er denn je wieder auf einen Foiler-A-Cat steigt, kaum gegen Kuba ankommen.
Am nächsten dran an Kuba war Darren Bundock, ein äußerst erfahrener Katamaransegler und trotz nicht mehr ganz jugendlichen Alters topfit. Er bleibt ein heißer Favorit für kommende Weltmeistertitel. Der WM-Dritte Mischa Heemskerk und sein DNA-Kollege Pieterjan „PJ“ Dwarshuis hatten im Vorfeld einiges Aufsehen erregt mit einem äußerst biegsamen Mast, wie er sonst nur auf DN-Eisschlitten eingesetzt wird. Die Idee dahinter: Der in der Mitte seitlich wegbiegende Mast sorgt bei stärker werdendem wahren wie scheinbarem Wind automatisch für ein flaches Segelprofil. „Man kann die Augen wieder auf das Wasser und die anderen Segler richten, statt ständig mit Schot und Cunningham zu depowern. Wir sind doch alle eh schon überfordert“, begründete PJ das Konzept. Doch noch ist es nicht ausgereift, bei leichtem Wind sowie auf dem Downwind-Kurs gibt es mit dem bendy Mast noch Leistungsprobleme. Zudem ist er mit 13,5 kg noch etwas arg schwer. PJ ist aber optimistisch, den Prototypen schon bald weiter entwickeln zu können. Das Potential ist zweifelsohne da: Mischa gewann das Warm-up-Event am Wochenende vor der WM mit einem bendy Mast bei Wind um die 12 Knoten.
15 Foiler-Segler aus Deutschland waren angetreten, darunter mit Katrin Brunner und Maren Odefey auch zwei Seglerinnen. Erstere konnte mit Gesamtrang 53 die Weltmeisterschaftwertung für Frauen gewinnen. Der frühere Europameister Bob Baier konnte einen angesichts des ausgesprochen starken Feldes hervorragenden 17. Platz ersegeln. Rainer Bohrer beendete die WM mit Platz 25 ebenfalls im vorderen Drittel.
Gustavo Doreste wird Classic-Champion
Bei den 86 angetretenen Classics ging es nicht weniger eng zu. Hier steht das taktische Segeln etwas stärker im Vordergrund, ganz einfach deshalb, weil das Bootshandling und das Erzielen von Höchstgeschwindigkeit nicht ganz so hoch anspruchsvoll wie bei den Foilern ist, wo die Geschwindigkeitsunterscheide zwischen Vorder- und Mittelfeld enorm groß geworden sind. Dafür werden bei den Classics taktische Fehler wie ein mäßiger Start oder die falsche Seitenwahl stärker bestraft. Die Zieleinläufe sind allerdings dennoch deutlich kompakter als bei den Foilern, wo selbst das Zeitlimit von 30 Minuten nach Zieleinlauf des Ersten nicht immer für alle Segler zu schaffen war.
Bei den Classics meldeten vier Segler klare Ambitionen auf den Sieg an: Der amtierende Weltmeister Scotty Anderson aus Australien, der amtierende Vizeweltmeister Gustavo Doreste aus Barcelona, der dreimalige Weltmeister Andrew Landenberger aus Australien sowie der neu in den Classic eingestiegene polnische A-Cat-Topsegler Jacek Noetzel. In der ersten Wettfahrt mit Wind bis 20 Knoten und hoch anspruchsvoller Welle zeigte Jacek mit einem souveränen ersten Platz, dass er in Sopot ähnlich wie Kuba mit solchen Bedingungen umzugehen gelernt hat. Schockmoment hingegen für Gustavo: Er hatte in der dritten Runde die Ablauftonne aus Versehen nicht gerundet und musste die Wettfahrt auf Platz 2 liegend nachträglich aufgeben, wollte er nicht disqualifiziert werden. Doch bereits am nächsten Tag verdeutlichte Gustavo mit drei ersten Plätzen, dass er diesmal nicht gewillt war, irgendjemandem den Vortritt zu lassen. Da er diese bestechende Form auch bei Leichtwind beibehielt, wurde er hochverdient Weltmeister. Scotty machte mit dem Vizetitel klar, dass er weiterhin zur absoluten Spitze zählt. Jacek konnte seinen ersten Classic-Auftritt mit der Bronzemedaille krönen.
Das zumeist auf süddeutschen Binnenseen segelnde Classic Team Germany tat sich bei den Starkwindläufen mit der steilen Welle schwer, konnte aber mit Moritz Weis (11. Gesamtrang) und Christian Stock (13.) zwei Segler im vorderen Sechstel des Feldes unterbringen. Moritz gewann sogar nach 2023 erneut den Junioren-Weltmeistertitel. Bemerkenswert ist der Auftritt von Georg Reutter bei den beiden Leichtwindläufen: Trotz Schulterschmerzen konnte er sich mit Platz 3 und 6 ausgezeichnet gegen die bei Leichtwind extrem starken US-Amerikaner behaupten. Eine dieser Wettfahrten wurde von der lebenden Segellegende Ben Hall gewonnen. Der weltbekannte Mastenbauer und A-Cat-Freak ist sage und schreibe 79 Jahre alt! Allerdings ist er sehr fit und vor allem außerordentlich erfahren.
Licht und Schatten
Von der WM in Punta Ala gibt es viel Positives zu berichten. Die A-Cat-Klasse zeigte sich hochlebendig. Von früheren Disputen über die Aufteilung in Foiler und Classics war nichts mehr zu spüren, man hat sich bestens miteinander arrangiert und versteht sich als eine gemeinsame Klasse, nur halt mit zwei Divisionen. Das sportliche Niveau der Segler und das technische Level ihrer Boote waren fast durchweg sehr hoch, höher als vergangenes Jahr in Toulon, und es waren praktisch alle Topleute aus allen Ländern mit A-Cat-Flotten in Punta Ala präsent. Der Umgang untereinander war ausgesprochen freundschaftlich, man teilte Material und half sich, wo es nur ging. Nur ein Beispiel von vielen: Classic-Segler Gustavo Doreste hatte seine Kiste mit dem Großschotsystem in Barcelona vergessen und sah schon alle Titelchancen begraben, doch der tschechische Foiler-Segler Vladimir Ptasnik lieh ihm kurzerhand sein Ersatzset.
Ebenfalls erfreulich war, dass es anders als in Toulon nur zu wenigen Kollisionen kam. Lag es daran, dass die Startlinie riesig war und es dort kaum zu engen Situationen kam? Oder an der der nahezu doppelt so großen Kurslänge, die die Felder deutlich entzerrt? Oder hatte der kurz vor der WM veröffentlichte Leitfaden zu Vermeidung von Kollisionen Wirkung gezeigt? Vermutlich lag es an alledem.
Emotionaler Höhepunkt der WM war die Würdigung von vier A-Cat-Legenden durch die internationale Klassenvereinigung IACA. Diese wird seit dem World Meeting in Punta Ala vom US-Amerikaner Bailey White angeführt (er löst den Schweizer Charles Buche ab, der die IACA sechs Jahre lang durch schwierige Fahrwasser gelotst hatte). Gewürdigt wurden: Dieter Melcher, einer der Gründer der IACA, Piet Saarberg, langjähriger Klassensekretär und Hersteller von über 800 A-Cat-Carbon-Masten, Graeme Harbour, der für Fairness sorgende internationale Vermesser, sowie die bereits erwähnte Segellegende Ben Hall.
Tadellos agierten die Wettfahrtleitungen, die internationale Jury und das technische Komitee. Ihre Entscheidungen ließen große Kompetenz und viel Augenmaß erkennen. Klassenkommunikator Gordon Upton schoss nicht nur tolle Fotos, sondern schrieb auch ebenso informierte wie amüsante Berichte. Es lohnt sich, sie auf der IACA-Webseite nachzulesen.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Das größte Manko in Punta Ala war der eklatante Mangel an ausreichend vielen Sicherungsbooten. Gerade mal zwei, drei Schlauchboote pro Kurs reichen bei Feldern mit über 80 so fragilen Booten wie A-Cats nicht annähernd aus. Es ist mehr Glück als Verstand zu verdanken, dass es trotz teils bedrohlich nahekommenden Gewitterfronten nicht zum Desaster kam. Und auch beim Anlanden am Strand bei teils haariger Brandungswelle wäre wenigstens eine Handvoll Helfer schön gewesen. So waren die Segler auf die spontane Hilfe von mehr oder weniger zufällig anwesenden Begleitpersonen angewiesen – zumeist die Ehefrauen der Segler. Zum Dank musste letztere einen unverschämt hohen Preis für die qualitativ recht bescheidenen Abendmahlzeiten zahlen. Überhaupt waren die Social Events keine echten Höhepunkte, angefangen bei der Opening Ceremony.
Hieran zeigt sich ein grundlegendes Problem: Weltmeisterschaften für 180 Boote einer so anspruchsvollen Klasse wie den A-Cats können weltweit nur wenige Clubs ausrichten. Die wenigsten dieser Clubs werden ehrenamtlich betrieben, es sind dort eigentlich immer bezahlte Kräfte am Werk. So wie auch zu 100 Prozent im Punta Ala Resort, ein voll durch kommerzialisierter Betrieb mit klar erkennbarer Renditeerwartung. Um die Startgelder bei den von der IACA geforderten 300 Euro zu belassen, müssen also Abstriche bei den erbrachten Dienstleistungen gemacht werden. Zu Lasten der Segler, aber auch der unterbesetzten Teams, die sich in Punta Ala wirklich bemüht haben, aber auch sehr stark gefordert waren. Einige Segler haben in Punta Ala laut darüber nachgedacht, ob eine Teilnehmerbeschränkung auf 100 Boote mit vorangegangener Qualifizierung über Rangliste nicht vielleicht die bessere Variante wäre. Andere wiederum finden Open Events großartig und denken schon darüber nach, die Grenze von 200 Teilnehmern zu überschreiten. Wir werden sehen, wohin die Reise geht.
Die WM in Punta Ala war in jedem Fall ein großes Abenteuer, an das sich alle Teilnehmer noch lange erinnern werden.
Christian Stock
Alle Fotos von Gordon Upton:
Sie können auf Facebook oder auf der WM-Seite gefunden werden.
https://www.aclassworlds.com/media-gallery