Vorbericht zur WM 2023
Enge Titelkämpfe erwartet
Vorabbericht zur Weltmeisterschaft der A-Cat in Toulon (7. bis 15. September 2023)
Sie verspricht hochrangigen Sport und äußerst enge Ergebnisse: Die Weltmeisterschaft der A-Klasse-Katamarane im südfranzösischen Toulon. Erstmalig seit der mehrjährigen Unterbrechung durch die Corona-Pandemie sind die Meldezahlen wieder im gewohnten Bereich von deutlich über hundert Booten, und nahezu alle Topsegler aus drei Kontinenten treten an. Die A-Cats sind dabei wie immer in den letzten Jahren auf zwei Startfelder verteilt. In der Kategorie Open treten in Toulon 40 Foiler an, die sich dank ihrer Z-förmigen Schwerter und verstellbaren Ruderfoils aus dem Wasser heben und dann enorme Bootsgeschwindigkeiten von bis zu 28 Knoten erreichen.
Bei den nicht flugfähigen Classics sind 77 Boote gemeldet. Es handelt sich trotz der Bezeichnung keineswegs um Oldtimer, denn in den letzten Jahren schritt auch bei Classics die Entwicklung rasant voran: Decksweeper-Segel, große Ruderfoils, verstellbare Schwerter und aerodynamische Optimierung von Rigg und Plattform sorgen auch hier für enorme Geschwindigkeiten. Da jedoch nur C-förmige Schwerter und nicht-verstellbare Ruder erlaubt sind, können die Classics ihre Rümpfe nicht vollständig aus dem Wasser heben.
Beide Startfelder sind extrem stark besetzt und gespickt mit Olympioniken und Weltmeistern aus verschiedenen Katamaranklassen. Topfavorit bei den Foilern aus 13 Ländern ist der amtierende A-Cat-Open-Weltmeister und zugleich F18-Weltmeister Ravi Parent aus den USA. Er trainiert bereits seit Juni in Europa für die Titelverteidigung und ist topmotiviert, muss sich aber harter Konkurrenz stellen. Zu nennen ist der mehrmalige A-Cat- und F18-Weltmeister Mischa Heemskeerk aus den Niederlanden, der insbesondere bei stärkerem Wind eine Klasse für sich ist. Letzteres gilt auch für den australischen Ex-Weltmeister Steve Brewin, der jedoch dank geringerem Körpergewicht auch bei Mittelwind eine gute Figur macht. So wie auch der junge Pole Jakub „Kuba“ Surowiec, der bei früheren Gelegenheiten den Weltmeistertitel nur knapp verpasste. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er ganz oben auf dem Treppchen steht.
Der erweiterte Favoritenkreis für Platz 1 bei den Foilern ist ebenfalls illuster. Darren Bundock aus Australien gewann im Tornado eine olympische Silbermedaille und versucht derzeit, sich im Nacra 17 für die Olympischen Spiele 2024 in Marseille zu qualifizieren. Emmanuel Dodé aus Frankreich, Lamberto Cesari aus Italien, Adam Beattie aus Australien und Manuel Calavia sollte man ebenfalls auf dem Zettel haben, sie bewiesen bei früheren Meisterschaften, dass mit ihnen zu rechnen ist. Bislang nicht gemeldet hat der überragende Topsegler der letzten beiden Jahrzehnte, Glenn Ashby. Er konzentriert sich auf sein neues Vorhaben, für das Team New Zealand den Geschwindigkeits-Weltrekord auf dem Wasser zu brechen, nachdem er im vergangenen Winter bereits den Rekord bei den Landseglern in neue Dimensionen katapultierte.
Als Geheimfavoritinnen einzustufen sind die beiden Frauen, die bei den Foilern antreten. Bei den in Toulon nicht unwahrscheinlichen Leichtwindbedingungen kann sich ihr geringeres Gewicht als großer Vorteil erweisen. Die hochtalentierte Cam Farrah aus den USA bestreitet eine Olympiakampagne im Nacra 17 und ist entsprechend gut trainiert. Katrin Brunner aus Deutschland hat langjährige Erfahrung im A-Cat und ist bei Leichtwind im Trapez stehend längst über alle Wellenberge, wenn die männliche Konkurrenz noch herum dümpelt.
Beim Classic-Feld mit seinen 77 Booten aus zwölf Ländern geht ebenfalls der amtierende Weltmeister das Projekt Titelverteidigung an. Der Australier Andrew Landenberger hat nicht nur eine Olympia-Silbermedaille in der Tornado-Klasse im Gepäck, sondern auch zahlreiche Welt- und Europameisterschaften in verschiedenen Klassen. Doch auch er sieht sich mit starker Konkurrenz konfrontiert. Sein Landsmann Scott Anderson hat eine Bronzemedaille im Tornado errungen und noch einige Jahre mehr an A-Cat-Erfahrung aufzuweisen. Der Spanier Gustavo Doreste ist ebenfalls ehemaliger Olympiateilnehmer und äußerst erfahren. Noch jung an Jahren, aber mit exzellenter Bootsbeherschung und Geschwindigkeit ausgestattet ist der erst 21-jährige Moritz Weis aus Deutschland. Er wird in Toulon auf den nur wenig älteren und ebenfalls blitzschnellen Andreas Landenberger aus Australien treffen. Ein bei den A-Cats bisher nicht so gut bekannter Geheimfavorit ist Emmanuel Le Chapelier aus Frankreich, der mehrere Silbermedaillen bei den Welt- und Europameisterschaften der F16-Klasse vorzuweisen hat.
Sollte es in der gut geschützten Bucht von Toulon Starkwind geben, was bei Mistral durchaus der Fall sein kann, ist bei den Classics mit dem Italo-Schweden Alberto Farnesi, mit dem in Spanien lebenden Briten Micky Todd und mit dem Schotten Hugh Macgregor zu rechnen. Bei Wind unter acht Knoten wiederum kommen die berüchtigten Leichtwindfüchse ins Spiel. Albert Roturier aus Frankreich ist dann kaum zu halten, ebenso wie der Veteran Woody Cope aus den USA. Gestählt von den allzu oft windarmen süddeutschen Binnenrevieren sind Georg Reutter, Matthias Dietz und Christian Stock. Zahlreiche weitere Segler können sich ebenfalls Chancen ausrechnen: Philippe Muyzers und Michel Warlop aus Belgien, Bruno Biedermann und Mathieu Verrier aus der Schweiz, Lars Bunkenberg aus Deutschland, Wolfgang Klampfer aus Österreich sowie Xavier Heurteboust aus Frankreich.
Welche Windbedingungen in Toulon auch herrschen werden, eines ist sicher: Die künftigen Weltmeister der Foiler und der Classics werden kein leichtes Spiel haben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit fällt die Entscheidung erst in der letzten der zwölf geplanten Wettfahrten. Und wer weiß, vielleicht schafft einer der zahlreichen hier nicht genannten Teilnehmer einen Überraschungs-Coup. Stay tuned!
Christian Stock